Ausstellung PREKÄROTOPIA im A.K.T; / Pforzheim, 2020

Kuratiert von Janusz Czech

PREKÄROTOPIA
Vom utopischen Versuch gemeinsam zu verändern. Ein prekäres Singspiel von Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner


„Keiner für Alle, Niemand für Jeden, Viele und Andere, Jeder allein…“. Das ist das Fazit im Chor der Erschütterung des zeitgenössischen Singspiels von Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner. Die aus „prekär“, „Rotation“ und „Utopie“ abgeleitete Wortneuschöpfung PREKÄROTOPIA stellt die grundlegende Definition der Solidarität einer Gemeinschaft und des Individuums in Frage. Im System PREKÄROTOPIA schwanken die drei Protagonistinnen Speaker, Poupée und Trickster zwischen Zerrissenheit und Antrieb, Triumph und Scheitern, Euphorie und Verzweiflung. Sie sehnen sich nach solidarischer Emanzipation und Partizipation und scheitern zugleich daran.
So reflektiert PREKÄROTOPIA dramaturgisch die Herausforderung nach Solidarität und Haltung in globalen Gesellschaften, die aus unzähligen Parallelwelten bestehen. Man kann PREKÄROTOPIA als ein Manifest der Handlung sehen, das sogar das Scheitern und die Resignation von Speaker, Poupée und Trickster am Ende des Stückes als aktive Haltung formuliert. Die Künstlerinnen wollen Hierarchien aufbrechen und einen Diskurs über politisches Handeln und Verantwortung anstoßen. Selbst keine politische Haltung zu haben, wäre eine hochpolitische Handlung.
So klingen die Zeilen aus „Mad as Hell“, einem der 13 Lieder des Singspiels, fast wie eine
eindringliche Prophezeiung: „Hey you! Listen to me. There is no equality! The only system I can see, is business and economy! Progress, growth and capital, Highspeed neoliberal! Power, money — can’t you see? Everywhere — hierarchy!“
PREKÄROTOPIA ist ein im Kollektiv entwickeltes Gesamtkunstwerk, das Skulptur,
Text, Film, Musik und Performance miteinander verbindet. Neben den Live-Aufführungen des Singspiels manifestiert sich eine inhaltlich essenzielle, analytische und diskursive Ausstellung, die voll von visuellen Erlebnissen ist. Die Künstlerinnen erschaffen für PREKÄROTOPIA im A.K.T; ein installatives Parcours- Universum aus Skulpturen, Instrumenten, Kostümen, Liedern und Videos, in welchem sie die Objekte als Requisiten für die moderne Aufführung des Singspiels mit 13 selbstkomponierten Punk-, Chanson- und Agit- Pop-Einlagen nutzen. So agieren die drei Protagonistinnen Speaker, Poupée und Trickster unter anderem zwischen einem fahrbaren Broiler, der übermannshohen Hand des Kapitals, einer zerstörten Hierarchie in Form einer Showtreppe und einer mit leuchtenden Globen verkabelten Orgel. PREKÄROTOPIA ist heiter und ernst, ironisch ambivalent, abstrakt und real, naiv und klug, gespickt mit irrationalen und rationalen Fragestellungen.


Text: Janusz Czech (Kurator / A.K.T; Pforzheim)